Sonntag, 29. März 2009

Freedom is just another word for nothing left to lose



Es hat eine Weile gedauert, aber hier mal wieder ein Bericht über meine Zeit in Newcastle.

Dieser Text steht unter dem Motto: Be careful what you wish for.

Bevor ich nach England gegangen bin, habe ich mehrfach die Überzeugung geäußert, dass es interessanter für mich wäre, mit Eingeborenen anstatt mit anderen Erasmus-Studenten zusammen zu wohnen. Inzwischen bin ich mir da nicht mehr so sicher.

Meine MitbewoherInnen sind alle sehr nette Menschen und ich habe wirklich keine Probleme in meiner WG. Andererseits sind sie auch alle erst so um die 19 und ich muss gestehen, die gemeinsamen Interessen gehen relativ gegen null. Entweder man guckt abends Fernsehen oder geht clubbing, eine andere Abendgestaltung ist offensichtlich nicht vorgesehen. Und bei den Clubs handelt es sich um nicht unbedingt um die Art von Etablissements, die zu meinen bevorzugten Ausgehorten gehören. Würde ich mit anderen ausländischen Studenten zusammen wohnen, würde zumindest die Chance bestehen, dass man vielleicht durch die ähnliche Situation gemeinsam Dinge unternimmt.

Also habe ich mich nach anderen Erasmus Studenten umgeschaut. Allerdings ist Newcastle wohl nicht unbedingt mit ausländischen Studenten gesegnet. Nach dem ich mich per Mail an die Erasmus-Society gewandt hatte, bekam ich die Antwort, das im Moment keinerlei Aktivitäten geplant wären, da alle verantwortlichen Studenten berufstätig wären und daher keine Zeit hätte, irgend etwas zu organisieren. Es gäbe allerdings eine Facebook Gruppe. Nur hat dort das letzte mal im Jahr 2008 jemand einen Vorschlag gepostet. Kontakt zu anderen Erasmus Studenten auf zu nehmen gestalltet sich also etwas schwierig.


Auch in meinen Kursen an der Uni gibt es keine anderen Austauschstudenten. Zwar führe ich interessante Gespräche mit meinen Mitstudenten aber nähere Kontakte ergeben sich hier kaum.

So bin ich also eher auf mich allein gestellt. Das soll nun nicht heißen, dass es mir schlecht gehen würde. Das Studium hier macht wirklich Spaß und es ist immer noch hoch interessant, in einem anderen Land zu leben. Über einen nette Abend in einem Pub mit anderen Studenten würde ich mich im Moment allerdings auch nicht beschweren. So wie die Situation im Moment ist, komme ich allerdings immerhin viel zum lesen und studieren. Ich habe also immerhin die Ruhe und den Abstand zu meinem bisherigen Leben, den ich mir gewünscht habe, wenn vielleicht auch etwas mehr, als mir lieb ist.

Das alles führt dazu, dass ich meine nächsten Ausflüge nach Edinburg, York und/oder Durham alleine plane und wohl auch durchführen werde.

Ein ausführlicher Bericht über meine Kurse an der Northumbria und andere Erlebnisse wird folgen.

Montag, 9. März 2009

Immer wieder für eine Überraschung gut



"I think this is the first time that I heard anybody mentioning Persona and the Texas Chainsaw massacre in the same sentence."
(Die Reaktion einer Professorin auf meine Antwort, was meine Lieblingsfilme seien)

Wie erlangt man die ewige Seligkeit? Indem man Dada sagt.



Wie ich jetzt schon ein paar Mal geschrieben habe, gibt es einige kleine Unterschiede zwischen deutschen und englischen Seminaren. Der Wichtigste ist, dass es keine Seminarordner gibt. Jeder Student muss sich die wichtigen Texte selber in der Bibliothek zusammen suchen (und es gibt hier wie gesagt nur eine große Bibliothek, keine für jedes Institut) und selber kopieren. Dazu kommt noch, dass nicht immer angegeben wird, welche Texte für die jeweilige Sitzung besonders wichtig sind und welche vielleicht nur Ergänzung. Man hat also eine Liste von im Durchschnitt 12 Texten und muss selber entscheiden, welche man ließt. Der Leseaufwand selber ist im Allgemeinen etwas bis etwas viel mehr als bei uns. 40-50 Seiten pro Seminar (ich kann mich einfach nicht daran gewöhnen statt Seminaren "Module" zu sagen, das klingt so technisch) sind normal, während ich mich noch gut daran erinnere, wie eine Professorin in Deutschland in einem Oberseminar den einzigen Text für die folgende Woche mit den Worten ankündigte "Der Aufsatz ist zwar 40 Seiten lang, ich fände es aber gut, wenn sie ihn trotzdem alle lesen würden".
Auch für die Studenten hier hat eine so ausführliche Literaturliste natürlich große Vorteile: Bei der Vorbereitung auf ein Essay braucht man einfach nur in die Literaturangaben der Seminarsitzungen zu schauen, da dort meistens schon mehr als genug Bücher zu einem Thema angeführt sind.

Das erstaunlichste an der ganzen Sache ist für meine Begriffe allerdings: Es funktioniert. Natürlich nicht immer und in jedem Seminar. Auch England ist nun wahrlich nicht das gelobte Land studentischer Beteiligung. Aber da die Teilnehmerzahl hier wesentlich kleiner ist als in Deutschland fällt es durchaus auch schneller auf, wenn jemand nicht vorbereitet ist.
Vielleicht bin ich auch zu pessimistisch, aber wenn ich mich vorstelle, was in Köln passieren würde, wenn es keine Seminarordner mit vorgegebenen Texten mehr geben würde...

Etwas anderes, was mich hier etwas irritierte, wurde mir inzwischen erklärt: Es gibt entweder überhaupt keine Anwesenheitslisten oder es scheint ziemlich egal, wie oft man da ist, oder eben nicht. In meinem Fantasy-TV Seminar gibt es jede Woche jemanden, den ich dort zum ersten mal sehe (und in dem Kurs sitzen nur 15 Studenten) und der in der folgenden Woche wahrscheinlich auch nicht mehr da ist.
Die Erklärung ist relativ einfach und hat natürlich mit Geld zu tun: Die Förderung der einzelnen Institute ist offensichtlich an die Teilnehmerzahl der Kurse gekoppelt. Diese dienen als Indikator für den Erfolg und die Größe des Instituts. Also hat natürlich kein Professor ein Interesse daran, die Teilnehmerzahl zu verringern und streicht darum niemanden von der Teilnehmerliste, der sich je angemeldet hat.

Mehr aus der brave new world demnächst an dieser Stelle

Samstag, 7. März 2009

Gedanke des Tages (3)



"Nachdem die Menschheit gerade die Fähigkeit erworben hat, jeden Stoff nach freiem Willen aus einzelnen Atomen zusammenzusetzen, die Geheimnisse des Lebens in ihrer verborgensten Mechanik zu entschlüsseln, die Größe des Universums bis zum definitiven Anfang zu durchmessen – in dieser höchsten Blüte der Kultur ist es unseren studierten Chefvolkswirten der Zentralbanken nicht aufgefallen, dass der weit überwiegende Teil des Geldvermögens sich längst von allen realen Werten entkoppelt hatte und zur reinen Zählgröße eines in betrügerischer Bereicherungsabsicht aufgeblähten Schneeballsystems geworden war. Da haben sich diese Leute jede Woche zusammengesetzt um subtile Anpassungen an Lombardsätzen für Refinanzierungszinsen vorzunehmen, und die gesamte Grundlage ihres Handelns war längst vor ihren Augen leergeplündert worden. Ein ganzer Berufsstand dümmer als Bauerntölpel, Schande der zivilisierten Menschheit."
(Ulrich Kühne im "Freitag")

Dienstag, 3. März 2009

Dies und Das und ein uninspirierter Titel



Bei allen diesen Punkten hat es dann doch nicht für einen ganzen Post gereicht:
  1. Ich bin immer noch etwas irritiert, wenn bei uns im Flur Uniformen und Helme in Tarnfarben herum liegen. Außerdem musste ich mir schon mehrmals heftigst auf die Zunge beißen, um nicht die eine oder andere sarkastische Bemerkung über das Hobby meiner Mitbewohnerinnen fallen zu lassen.
  2. Einer meiner Mitbewohner schaut regelmäßig verschiedenste Soaps (z.B. „Coronation Street“, ein bisschen wie Lindenstraße nur täglich). Auch das führt dazu, dass ich bald keine Zungenspitze mehr habe.
  3. Der Engländer an sich ist offensichtlich zu jeder Tageszeit Chips (und ich meine keine Pommes frites, sondern "richtige" Chips). Da sie deswegen wohl als Grundnahrungsmittel ein zu stufen sind, gibt es Chips aber auch in nahezu unzähligen Geschmacksrichtungen.
  4. Viele junge und jugendliche Engländerinnen kleiden sich beim Ausgehen am Wochenende doch in etwas weniger Stoff als ihre deutschen Geschlechtsgenossinnen. Also so bis knapp über die Hüfte bzw. knapp über die Brustwarzen . Da kann man eigentlich nur noch starr ins Gesicht schauen, wenn man nicht unhöflich erscheinen will.
  5. Für viele männliche Vertreter der Briten scheint es genau zwei Formen von Hosen zu geben: Röhrenjeans und Jogginghose.Letztere auch gerne zur Uni.
  6. Die englische Jugend scheint mir im Allgemeinen etwas „hipper“ als die deutsche. Jedenfalls kombiniert man hier öfters mal die Trappermütze mit der Röhrenjeans, dem achten Piercing, dem lila Shirt und der viel (viel, viel) zu knappen Lederjacke, oder etwa die grüne Leggins mit dem gelben Babydoll, den total trendigen Fellstiefeln und der Roy Lichtenstein Tasche. Alles natürlich total Indie.
  7. Es wird offensichtlich mehr tätowiert.
  8. Da man etwas wetterfester bzw. abgehärteter ist, muss man als Brite bzw. Britin auch bei Minusgraden und Schneeregen keine festen Schuhe oder verschließbaren Jacken tragen. Ein T-shirt tut es im Zweifelsfall auch. Dafür kann man dann auch die Tattoos besser sehen.
  9. Man darf hier in der Öffentlichkeit keinen Alkohol trinken, zumindest nicht auf offener Straße. Halb Köln müsste seine Lebensgewohnheiten umstellen!
  10. Sehr beliebt sind auch neogelbe Schutzwesten, die hier von verschiedensten Gruppierungen getragen werden. Das führt zwar zu besserer Sichtbarkeit, kann allerdings auch verwirren, wenn man auf den ersten Blick nicht genau weiß, ob man einen Polizisten, einen Bauarbeiter, einen Briefträger, einen Jogger oder einen Fahrradfahrer (oder eine Kombination derselben) vor sich hat.
  11. Meine Mitbewohner Teilen nicht. Jeder hat seinen (abschließbaren) Schrankabschnitt und seine eigenen Töpfe und Pfannen. Eine meiner Mitbewohnerinnen schließt sogar ihr Spülmittel weg, wenn sie am Wochenende nicht da ist.
  12. Ich habe bei meinen Streifzügen durch die Innenstadt von Newcastle noch nicht einen einzigen richtigen Buchladen entdeckt. Nicht mal eine Kette wie etwa die Mayersche. Höchstens ein Geschäft, dass neben Erfrischungen, Zeitschriften und Schreibwaren zufällig auch noch Bücher verkauft...
  13. Die hiesigen Film-Studies Professoren sind auch wirklich Filmwissenschaftler. Keine Soziologen, keine Ethnologen und keine Literaturwissenschaftler mit Schwerpunkt Film, oder Ähnliches. Ist mal eine Abwechslung.
  14. Bier und Cider sind gerade noch zu bezahlen, aber Wein ist unverschämt teuer. Alkohol im Supermarkt ist im Allgemeinen ca. 1/3 teurer als in Deutschland. Und trotzdem wird hier am Wochenende ziemlich heftig gesoffen, wenn ich mir die Menge an Erbrochenem so anschaue, die man an einem Samstagmorgen so auf den Gehwegen sieht…
  15. Die wirklich wichtigen Wörter bekommt man im Englisch-Unterricht natürlich nicht beigebracht. Was heißt z.B. Anspitzer oder Geschirrtuch? Wie erklärt man am besten das alte deutsche Universitätssystem und den Magister, wenn es so etwas in England nie gab?
  16. Mein Englischwörterbuch war eine vollkommen überflüssige Anschaffung: Für normale Gespäche brauche ich es nicht, und die Wörter, die ich nachschlagen muss, stehen nicht drin.
  17. Es gibt hier ein DVD Label das nennt sich "Shameless Screen Entertainment". Die Filme die die veröffentlichen sind sogar mir zu sleazy, vor allem wenn ich mir vorstelle, damit an die Kasse gehen zu müssen und dann einer Kassiererin gegenüber zu stehen (Stichwort: "Torso - Where Whores meet Saws").
  18. Ich darf nicht mehr so viele DVDs kaufen.